Die Lesenetz-Buchtipps

Derick Wilder
Hat der Bagger einen Po?
Verlag: Klett Kinderbuch Verlag
Seitenzahl: 40
Fester Einband
ISBN (13): 978-3-95470-262-6
Illustrationen: K-Fai Steele
Übersetzung: Hans-Christian Schmidt

Schläft ein Po in allen Dingen

Pos, Pos überall Pos: Ein Papa und sein Sohn laufen zur Schule und stellen fest: Jeder und fast alles hat einen Po. Der Bagger und die Schafe, die Vogelscheuche und der T-Rex. Das ist zunächst nicht so aufregend*. Aber spätestens ab der dritten oder vierten Doppelseite erliegst du dem absoluten Charme dieses Buches. Da ist die Sprache: Der gesamte Text besteht aus gereimten Fragen (Sohn) und Antworten (Papa), bewundernswert gut übersetzt von Hans-Christian Schmidt: „Hat der Ochsenfrosch nen Po? / Ja, es ist ein braun gefleckter. - / Haben Barsche einen Po? / Schau, in ihrem Namen steckt er. (…). Seite um Seite entspinnt sich dieses philosophische Gespräch und man fühlt sich fast ins antike Athen zurückversetzt, wo schon Aristoteles seine Schüler im Gehen unterwies – zumindest der Legende nach. So wird jedes Schaufenster, jedes Plakat auf diesem langen Schulweg ein Sprech- und Frageanlass, wird die Welt wahrgenommen und gemeinschaftlich in Poesie verwandelt. Dem zu folgen, ist ein großer Genuss. Doch die  eigentlichen, stillen Stars sind die Illustrationen von K-Fai Steele, die auf den ersten Blick einfach nur lässig hingetuscht wirken, aber dann doch in ihren Details und ihrem Witz eine so reiche Bildebene schaffen, wie es im Bilderbuch selten ist. Das San Francisco, in dem die beiden unterwegs sind, ist eine Stadt von Menschen verschiedenster Hautfarben, die alle zu Fuß gehen: ein friedliches Miteinander von Hipstern, Punks und jungen Muttis, die Häuser geschmückt mit Regenbogenflaggen, Peace-Symbolen und „Black Lives Matter“-Plakaten. Das wirkt gar nicht US-amerikanisch, sondern erinnert  eher an die linken Kinderbücher der 1980er Jahre oder an Jutta Bauers fein beobachtete Großstadtszenerien. Und überall in diesem fröhlichen urbanen Mikrokosmos gibt es … Pos! Einmal visuell drauf angespitzt, siehst du an jedem Menschen, an jedem Fisch und Vogel, ja sogar am Mülleimer oder der Golden Gate Bridge zuallererst und dann immer und überall  … einen Po. Oder zwei. Quietschvergnügt philosophisch ist das, und  am Ende siehst du die Pos dieser Welt mit völlig neuen Augen und hast ganz nebenbei gelernt, dass eine schräge Frage, wenn du dich nur drauf einlässt, deine Perspektive für immer verändern kann. Und wenn das schon für Pos gilt, was ist dann mit den wirklich wichtigen Dingen im Leben? Eben.

*In Byram, Mississippi verlor kürzlich ein Lehrer seinen Job, weil er seinen Schüler:innen ein anderes Po-Buch („I need A New Butt“ von Dawn McMillan) vorlas. Nacktheit ist für viele Konservative in den USA tabu und Bücher werden reihenweise aussortiert. Aber wer sich jetzt schon Sorgen macht: Die Hosen in unserem Buch bleiben die ganze Zeit an!

 

Besprochen von: Annette Huber