Knuddeln gegen Mobbing
„Seltsame Kinder wie Lisa brauchen keine Spielsachen. Sie bräuchten nette Eltern, Freunde, einen Hund.“
Solche Sätze sind typisch Sibylle Berg. Seit 30 Jahren zeigt uns die Schriftstellerin in ihren Romanen und Theaterstücken immer wieder, wo was schief läuft: im System allgemein, und somit auch zwischen den Menschen, die in diesem schiefen System gar nicht anders können, als auf individuellste, und oft verstörende, Sibylle-Berg-Weise unglücklich zu sein.
„Mein ziemlich seltsamer Freund Walter“ war ursprünglich ein Theaterstück, das 2014 Premiere feierte. Zehn Jahre später bringt der Fischer Verlag den Text nun als Comic-Roman für Kinder ab 10 Jahren heraus, robust schwarzweiß mit dickem Strich und Knollennasen gezeichnet von Julius Thesing. Walter (der in Wahrheit ganz unaussprechlich anders heißt) ist ein sehr netter Außerirdischer mit Ringelschwanz, der von seiner Reisegruppe auf der Erde vergessen wird und sich mit der neunjährigen Lisa anfreundet. Lisa ist hochbegabt und hat einen Haufen Probleme: ihr Zuhause ist verwahrlost, sie selbst wird in der Schule gemobbt und hat weder Freunde noch Hund. Dank Walter lernt Lisa, ihre Opferrolle mit anderen Augen zu sehen, und sie erfinden Strategien, damit es ihr besser geht (Kung-Fu ist eine davon). Am Ende hat sie zwar immer noch keinen Hund, aber dafür einen Supercomputer im Finger, einen besten Freund im Weltall und keine Angst mehr vor dem neuen Tag. Und der Hund - na, der kann ja noch kommen!
Eine schräg-witzig-ernste, schnell lesbare Geschichte mit klarer Botschaft, für Erwachsene möglicherweise mit noch mehr Aha-Effekt als für Kinder. Unbedingt einsetzbar im Projektunterricht, wenn es um Mobbing geht. Oder sowieso als Klassenlektüre in der Mittelstufe. Oder gleich als Pauschal-Schullektüre, einschließlich des gesamten Kollegiums. So einen Walter hätten nämlich alle ganz gern.
Besprochen von: Annette Huber