Die Natur kann die Seele heilen

Nach dem Tod ihrer Oma muss Poppy allein mit ihrem Hund Pepper Gassi gehen. Ihre Mutter wird von der Trauer um den geliebten Menschen auf dem Sofa festgehalten. Als das Mädchen und Hund ein Loch im Zaum zu einem versteckten Wald entdecken, treffen sie dort Rob. Er zeigt Poppy die Schönheit der Natur und deren Zauber noch im kleinsten Wassertropfen. Irgendwann ist auch Poppys Mutter so weit, sich wieder der Welt zu öffnen und Poppy und Rob zu begleiten. Ein ganz zart illustriertes Buch, in dem auf jeder Seite ein ganzes Universum zu entdecken ist. Die Graphic Novel kommt mit sehr wenig Text aus, dennoch erschließt sich die Trauer, die Poppys Familie umgibt und die nur langsam verblasst, allen Betrachter*innen sofort.

Im Jahr 2065 ist es auch nicht so viel anders als heute

Bille, Esra und Waldi leben in der Zukunft, in ungefähr 40 Jahren um genau zu sein.  Ihre Probleme sind denen heutiger Schulkinder gar nicht so unähnlich. In kurzen Geschichten, die bereits in der Zeit Leo veröffentlicht waren, erleben die chaotische Billie, die coole Esra und der dynamische Waldi die herrlichsten Abenteuer mit Robotern, fliegenden Säften und steuerbaren Regenwolken.

Große Gedanken für kleine Menschen

Die Kinder Stelio und Lena reisen durch die Welt der großen Philosoph:innen und lernen u. a. Sokrates, Aristoteles, Seneca, Descartes, Platon, Kant , Marx, Nietzsche, Sartre, de Beauvoir, Hannah Arendt, Wittgenstein sowie deren Theorien kennen.  Philosoph:innen haben seit ewigen Zeiten versucht, die Welt zu verstehen und zu verändern. In kurzen Kapiteln, chronologisch geordnet vom 7. Jahrhundert v. C. bis heute reisen Stelio und Lena durch die Zeit und lernen die wichtigsten Denker:innen und deren philosophischen Richtungen kennen und stellen selbst sehr viele Fragen. Außerdem wird den beiden Kindern erklärt, welchen Einfluss die philosophischen Ideen heutzutage noch auf unseren Alltag haben. In den Thesen am Ende jeden Kapitels kann man sich eine Gebrauchsanleitung für das eigene Leben zusammenstellen. Das Buch schließt ab mit ganz aktuellen philosophischen Fragen über die Gleichstellung von Tieren oder KI mit Menschen und wir werden angeregt, selbst weiter zu denken.

 

Ein Künstler aus alter Zeit

Atan lebt vor etwa viertausendfünfhundert Jahren auf einer griechischen Insel. Der schüchterne Junge kann besonders gut Tiere und mythologische Figuren töpfern. Seine Eltern wertschätzen seine Begabung und schicken ihn auf die Insel Naxos, wo er eine Ausbildung zum Marmorbildhauer macht, statt sie auf ihrem Land zu unterstützen. Dort lernt er zunächst das Handwerk bis in alle Einzelheiten und in endlosen Wiederholungen, bis sein Meister ihn einfachen seinen Weg gehen lässt. Atans Kunstwerke sind heute noch in Museen zu sehen. Die Inspiration für diese Geschichte bekam die Autorin und Zeichnerin von einer kleinen Statue im Pariser Louvre. Neben der Entwicklung von Atan zu einem Künstler geht es auch um die eines jungen Menschen, der langsam erwachsen wird und die gleichen Probleme hat, wie jungen Menschen heute, so dass sich jede:r Jugendliche:r bei der Lektüre irgendwo wiedererkennen sollte.

Kinder bis unters Dach

Der Comicroman „Der große Wurf“ beschreibt in nur wenigen Farben, dafür aber mit vielen liebevollen Details, das Leben in einer Großfamilie.

Tatsächlich handelt es sich bei diesem Buch um die Autobiographie der Hamburger Autorin und Kinderbuchillustratorin Dunja Schnabel, die mit 9 Brüdern und 7 Schwestern aufgewachsen ist.
Wie läuft das (Zusammen-) Leben in so einer großen Familie? Wo/wie wohnt eine Großfamilie? Wie laufen Dinge wie Essen, Einkäufe oder Familienfeste ab? Was sind die Vor-und/oder Nachteile einer XXL-Familie?

In 9 Kapiteln werden diese und viele andere Fragen beantwortet.
Die einzelnen Bilder sind liebevoll gestaltet und mit lustigen Details versehen. Manche Seiten ähneln Wimmelbildern, auf denen es viel zu entdecken gibt.

Ein toller Comic über das turbulente Leben einer Großfamilie, die sich den großen und kleinen Problemen des Alltags stellt, die auch „normal“ großen Familien nicht unbekannt sind.

Anja Beduhn

Seit fast 40 Jahren beschäftige ich mich mit Kinder- und Jugendbüchern. Zunächst als Leiterin der Kinder- und Jugendbuchabteilung in einer Kieler Buchhandlung, danach als Mitarbeiterin eines Bilderbuchverlages und schließlich als Bibliothekarin, derzeit in den Hamburger Öffentlichen Bücherhallen.

Schu schön!

Boris zögert nicht lange, als seine Nachbarin ihn bittet, für eine Zeitlang auf ihr Haustier Babette aufzupassen. Leider wollen seine Eltern keine tierischen Mitbewohner, das hat er wohl kurz vergessen. Daher muss er Babette verstecken. Das ist gar nicht so einfach. Babette hat einen starken Willen. Außerdem kann sie sprechen, mit niedlichem Dialekt. Und was sie für ein Tier ist, weiß man auch nicht genau. Sie steht auf Fernsehen, Flips und Grusel. Boris hat große Schwierigkeiten, Babette artgerecht zu halten, wo soll er denn zum Beispiel eine Geisterbahn herbekommen? Als seine Eltern Babette entdecken und sie ins Tierheim bringen wollen, reißt sie aus. Am Ende finden sie alle die perfekte Lösung für Babette und Boris’ Familie. Boris’ Opa und Babette passen perfekt zueinander und gründen eine Wohngemeinschaft mit Flips, Fernsehen und auch ein bisschen Grusel.

Von Palumbien nach Berlin

Anfang des 19. Jahrhunderts: Der große Naturforscher Alexander von Humboldt entdeckt auf seiner Südamerika-Reise das Marsupilami. Er nimmt es mit vielen anderen Entdeckungen, z. B. einer Mumie mit nach Berlin. Diese Mumie sorgt offenbar dafür, dass das schwarz-gelb gefleckte Tier auch 130 Jahre später noch quicklebendig ist, als das Mädchen Mimmi eine der dort immer noch herumstehenden Kisten des großen Naturforschers öffnet. Damit beginnt für das Wesen nicht nur ein Abenteuer im Berlin während der Weimarer Republik führt, sondern auch eine unvergessliche Freundschaft. Das Marsupilami mischt die Hauptstadt ganz schön auf uns trifft mit seiner krawalligen Energie immer die Richtigen mit seinen Schlägen, in diesem Fall nervige Kinder, bigotte Nachbarinnen und vor allem die in Berlin immer massiver auftretenden Nazis. Doch das “Humboldt-Tier”, wie es sein Entdecker nannte, hat Heimweh nach seinem Dschungel und möchte mit seinen drei noch nicht geschlüpften Babys zurück. Schade, wenn er in Berlin geblieben wäre, hätte er der Welt vermutlich einiges erspart. Flix schafft es wie schon in “Spirou in Berlin”, André Franquins Klassiker zu würdigen und dennoch seinen ganz eigenen Stil beizubehalten.

 

 

Fähnlein Fieselschweif 2.0

In sieben Geschichten wird von Flo erzählt, der zu den Pfadfindern kommt. Zunächst ist er ziemlich verpeilt und findet nicht mal den Weg zur Gruppe. Aber bald lernt er die Gebräuche und vor allem die Abenteuer der Pfadfinder kennen. Er findet neue Freunde und darf so sein, wie er ist. Durch seine sympathische Art kann Flo als Identifikationsfigur für Kinder gelten, die eigentlich gerne mal zu den Pfadfindern gehen möchten, sich aber nicht so richtig trauen. Im Anhang des Comics gibt es noch ein paar Fakten über das Pfadfinderleben in Deutschland.
 

Zeitlos

Der englische Gentleman Phileas Fogg und sein neuer Kammerdiener versuchen, nach einer Wetteum 20.000 Pfund  im Reform Club, die Erde in nur 80 Tagen zu unrunden, was im 19. Jahrhundert eigentlich unmöglich war. Aber es ist ja ein Roman, daher schaffen es die beiden, gerade noch rechtzeitig wieder zurück in London einzutreffen. Teilweise werden sie getrennt voneinander, bestehen viele Abenteuer in allen Kontinenten, werden irgendwann von einer Inderin begleitet und stetig von einem englischen Beamten verfolgt, der Fogg für einen Dieb hält. Die Zeichnungen erinnern an alte Stiche, passen sehr gut zu der Geschichte, die zu Beginn des Zeitalters der großen Entwicklungen wie der Eisenbahn oder Dampfschiffen spielt, die solche Reisen erst möglich machten. Es ist erstaunlich, wie gut diese Geschichte obgleichso verdichtet wie in der vorliegenden Graphic Novel, auch heute noch funktioniert. Cool, spannend und ein bisschen romantisch.

Und es war Sommer …

Simon ist zum ersten Mal verliebt und traurig, dass er seine Freundin Louise während der laaangen Sommerferien nicht sehen kann, denn beide fahren mit ihren Familien in den Urlaub. Kaum am Urlaubsort angekommen, sieht er, dass Louise ihren Beziehungsstatus auf Facebook zu “Single” geändert hat. Und auch auf seine Nachrichten reagiert sie plötzlich merkwürdig. Simon trampt heimlich ins 500 km entfernte Montpellier, um Louise zu finden und alles zu klären. Unterwegs erlebt Simon jede Menge, z. B. den Verlust seines Portemonnaies und Handys, und lernt die interessantesten Leute kennen. Zur gleichen Zeit in Montpellier hadert Louise mit sich selbst. Will sie wirklich Single sein, wie es auf Druck ihrer Cousine nun bei Facebook steht? Und ist die neue Ferienbekanntschaft Cedric tatsächlich so toll? Eine Liebesgeschichte voller Missverständnisse und Zufälle zwischen zwei Heranwachsenden, erzählt aus beiden Perspektiven und mit Hoffnung auf ein Happy-End. Eine tolle Sommerlektüre!

Ein Leben in schwarz und weiß

Schon früh, in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts, war der junge Bobby ein riesiges Schachtalent und interessierte sich für nichts anderes. Bereits mit 14 Jahren wurde er der jüngste US-Schachchampion. Ein Jahr später brach er die Schule ab, um sich ganz dem Schach zu widmen, und errang den Titel eines Großmeisters. Dabei hatte er stets ebenso fanatische Förderer an seiner Seite und konnte so die Bedenken und finanziellen Beschränkungen seiner alleinerziehenden Mutter umgehen. Als er 1972 den amtierenden Schachweltmeister Boris Spasski besiegte, war das gleichzeitig ein Sieg der USA gegen die Sowjetunion auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Bei seinen Partien scheute Fisher vor psychologischer Kriegsführung und Größenwahn nicht zurück. Zunehmend wurde er paranoid und verlor sich in Verschwörungstheorien, die ihn schließlich sogar die amerikanische Staatsbürgerschaft kosteten. Die Graphic Novel ist im passenden Schwarz-Weiß gehalten, die Kapitel führen jeweils in eine Figur des Schachspiels ein, auch die Panels nehmen die Struktur des Spiels auf. Abgerundet wird das Buch durch ein ausführliches Verzeichnis der Wegbegleiter Bobby Fishers.

 

 

Von der Béchamelsoße ins Physalisheckenlabyrinth

Eine Premiere: Hier werden jetzt zwei Bücher zugleich besprochen. Und das hat seinen Grund. Der Berliner Comiczeichner Mawil nimmt in den beiden gleichzeitig erschienenen Biderbüchern die klischeebeladenen, rosa bzw. hellblau gestalteten Bücher “für Mädchen”, bzw. “für Jungs” aufs Korn und dreht die vorherrschenden Stereotypen einfach um. Und das mit so viel Freude und voller witziger Ideen, dass auch die vorlesenden Eltern ihren Spaß haben werden am ordentlichen Bauarbeiter Bruno, der Smoothies liebt und an der Prinzessinnencrew mit ihren Motorrädern und ihrer geheimen Werkstatt. Gleichzeitig werden auch noch die vielen auf dem Markt erhältlichen langweiligen Buchstabierbücher vergackeiert. Im Prinzessinnen-Buch spielt der Buchstabe P wie Phasenprüfer eine große Rolle, beim Bauarbeiter-Buch natürlich das B wie Babyphone.

 

 

 

 

Szenen eines Stadtteils

Endlich mal ein Buch über Afrika ohne Folklore, soziale Betroffenheit, kolonialen Eurozentrismus, Armut. Dafür gibt es genug andere Probleme. Protagonisten der Graphic Novel sind der evangelikale Reverend Akpoborie und seine Familie, Ehefrau und 3 gerade erwachsene Kinder. Sein Sohn traut sich nicht, sich als homosexuell zu outen, die eine Tochter ist lesbisch, die andere schwanger, was sie dem strengen Vater gegenüber ebenfalls verschweigen möchte. Der bigotte Geistliche aber benimmt sich gar nicht, wie er es allen vorschreiben möchte: er belästigt das Hausmädchen sexuell, bis diese ihre Arbeitsstelle verlassen muss. Daneben gibt es viele weitere Einblicke in das Leben der Nachbarn in einem Mittelschichts-Vorort im Großstadtmoloch Lagos.

 

“Wie haben das nicht gewusst”

Die Berliner Autorin, Jahrgang 1968, hat eine Graphic Novel zu ihrer Familiengeschichte erarbeitet, die gleichzeitig eine Geschichte Deutschlands im  bewegten 20. und 21. Jahrhundert ist, sowie auch als spezieller Berlinreiseführer benutzt werden kann. Als sie sich erstmals als junge Frau mit dem Wirken ihrer Großeltern während ders Nationalsozialismus’ auseinandersetzt, stößt sie auf Verdrängung und Lügen. Was hat ihr Großvater Heinrich, angeblich als Buchhalter bei der Wehrmacht in Riga stationiert, von den Gräueltaten der Nazis gewusst? War er vielleicht selbst beteiligt? Bald stellt sich die Frage nach der Mitschuld ihrer Familie. Sie erfährt, dass diese in einem Haus lebte, das ehemals von jüdischen Mitbürgern bewohnt war. Hat die Familie von der Vertreibung profitiert oder war sie gar dafür verantwortlich? Bianca Schaalburg recherchiert die Ereignisse und stellt die Frage nach Schuld und Verantwortung einer ganz normalen deutschen Familie. Wir folgen ihrer detektivischen Spurensuche durch die Nazizeit, die Nachkriegsjahre, zu den Stasi-Akten des Kalten Krieges, ins Jahr 1968, als ihre Elterngeneration begann, Fragen zu stellen, bis ins Berlin der Wendezeit und schlussendlich in die heutige Zeit. Das Buch ist eine “Doku-Fiction” Schaalburgs Forschungsergebnisse aus Tagebüchern, Fotoalben, Archiven, Bibliotheken und anderen Informationsquellen kombiniert sie mit fiktiven Puzzleteilen. Nicht nur zeichnerisch eine Wahnsinnsarbeit. Toll auch der umfangreiche Anhang, der mich dazu brachte, das Buch gleich noch einmal zu lesen.

Die Eistee-Philosophien

Das fast ganz normale Leben des 18-jährigen Peter mit allen Begebenheiten, die einem wie Katastrophen vorkommen und aus der Sicht eines Jugendlichen betrachtet auch solche sind. Da ist die schon mherfach verpatzte Führerscheinprüfung, eine unglückliche Liebe zu Anke, Mobbing, merkwürdige Eltern – die typischen Ingredienzen für einen Coming of Age-Comic. Glücklicherweise gibt es neben Eistee im Tetrapack, Hulk Hogan, einem erstaunlicherweise tagaktiven Waschbären noch Peters verständnisvolle Freundin Kiana. Die Graphic Novel trifft direkt die Gefühle fast aller zwischen 13 und 31. Und wiedererkennen tun sich auch alle anderen in irgendeiner Weise.

Hoonk! Galaktischer Probeflug mit Hindernissen

Im All ist es generell schon ziemlich dunkel. Richtig finster wird es aber, wenn du an Bord eines Raumschiffes mit Unsichtbarkeitsmodus sitzt und die zuständige Offizierin sich nicht erinnern kann, wo der Aus-Schalter sitzt.

Dies ist das Eröffnungs-Szenario von „Das unsichtbare Raumschiff”. Was folgt, ist ein saukomisches Weltraumdrama voller Slapstick, skurrilen Dialogen und hochgewürgten Haarbällen.

Mit ihren „Kiste“-Comics hatten Patrick Wirbeleit und Uwe Heidschötter die Messlatte für intelligente und charmante Kindercomics schon ziemlich hoch gehängt. „Das unsichtbare Raumschiff“ (Heimatbasis: Kibitz Verlag, Hamburg, Erde) katapultiert die beiden nun, mit Andy Matthews aus England als Drittem Offizier, in eine neue erzählerische Galaxie. Denn diese Bildgeschichte kommt – Invisibility! Was soll man machen?! – fast vollständig ohne Bilder aus. Die Handlung wird zu 90% über Sprechblasen und Lautmalerei erzählt, der Rest der Panels bleibt so dunkelschwarz wie der Kontrollraum an Bord der Invisibility 2. Beziehungsweise der Aufzug. Oder die Kantine. Oder auch der Videoschirm, auf dem ein galaktischer Erzbösewicht Todesdrohungen ausstößt.

Ein Comic als Hörspiel zum Lesen also? Klingt schräg, funktioniert aber, im Gegensatz zum Raumschiff, total gut. Denn die drei Autoren docken mühelos bei den großen Meisterwerken der komischen Science-Fiction an, als da wären „Per Anhalter durch die Galaxis“, „Star Wars“ und natürlich der lustigste Space-Desaster-Film aller Zeiten: „Galaxy Quest“. Sie wissen also, wie Kommunikation an Bord eines Raumschiffes funktioniert. Und was im Weltraum alles schiefgehen kann. 

80 Seiten lang tapsen Käpten Bück und seine drei Besatzungsmitglieder (Offizierin Suki, Leutnant Bot und Maschinist Honk) in völliger Finsternis durch ihr brandneues Schiff und versuchen, den Unsichtbarkeitsmodus wieder auszuschalten. Und du tapst mit, trittst ihnen gelegentlich fast auf die Füße und lernst sie nach und nach richtig gut kennen. Okay, irgendwann wird klar, dass die vier nicht gerade die hellsten Sterne im Quadranten sind. Aber sie sind eine absolut liebenswerte Gurkentruppe und einer von ihnen (wer, wird nicht verraten) findet nach vielen dramatischen Wendungen (welche, wird nicht verraten) und viel „Uuuuuhhm”, „Honk!“ und „Wobwobwobwob“ einen Lichtschalter (wo, wird auch nicht verraten). So endet dieser Comic dann doch noch in Farbe. Eigentlich, denkst du jetzt, braucht man sie gar nicht unbedingt. Und dann denkst du: Wann kommt endlich die Fortsetzung?

Das Haus der Erinnerung

Die 95-jährige Madeleine ist blind in zweierlei Hinsicht: Sie übersieht die Gefahr, die von der voranschreitenden Erosion an der Steilküste der Normandie, auf der sich ihr Haus befindet, ausgeht – und sie kann tatsächlich nicht sehen. Das hindert sie jedoch nicht daran, auch nach dem Tod ihres Mannes stur an ihrem Zuhause zu hängen und sich nicht vom Bürgermeister oder anderen mehr oder weniger wohlmeinenden Mitmenschen davon überreden zu lassen, es zu verlassen. Notfalls wehrt sich sich auch mit Waffengewalt. Eine gelungenes Portrait einer widerständischen Persönlichkeit, die wohl nicht ganz zufällig an die Bewohner eines kleinen gallischen Dorfes erinnert. Darüber hinaus eine Graphic Novel über die Gefahren des Klimawandels und auch noch eine schöne Dorfsatire.

Drei Tiere und ein Baby

Nachdem der Storch sich verletzt hat, beauftragt er das recht einfältige Kaninchen und die ebenso binäre Ente, ein Baby zu dessen Eltern nach Avignon zu bringen. Ihr Kumpel, das reizbare Schwein, gesellt sich noch zu ihnen. Aber wo ist eigentlich Avignon? Den Zettel mit der genauen Adresse haben die drei sofort verloren. Auch die restliche Mission gestaltet sich schwierig. Babys haben Hunger, volle Windeln, doch für alles gibt es eine Lösung. Auch wenn man dabei zuweilen Federn, bzw. Fell oder Schwarte lassen muss. Spoiler: Das Baby kommt unversehrt in Avignon an! Eine sehr rasante, witzige Story mit einem klitzekleinen Manko: Das Buch ist ein ganz schöner Klopper mit seinen fast 300 Seiten. Dennoch hätte ich mir bisweilen ein größeres Format als A 5 gewünscht, um die tollen, detailreichen Illustrationen noch besser betrachten zu können.

Das Brüderduell

Das einzige Spiel, das der spätere Weltmeister BRD bei der Weltmeisterschaft 1974 im eigenen Land verliert, ist ausgerechnet gegen die DDR, die erstmals bei einer WM vertreten ist. Ausgehend von diesem historischen Duell kommt es im Buch zum Wiedersehen zweier Brüder nach 12 Jahren. Als Wolfskinder, in diesem Fall als Waisenkinder jüdischer Eltern, die unter der Naziherrschaft ermordet wurden, geraten sie in der Nachkriegszeit in den Dienst der Stasi. Während Konrad als Geheimagent in den Westen geht, wo er 1974 Betreuer der bundesdeutschen Nationalmannschaft wird, ist der jüngere Andreas im Osten geblieben und dort weiterhin für die Stasi aktiv. Als Physiotherapeut begleitet er die Nationalmannschaft der DDR zur WM, vor allem um zu verhindern, dass einer der Stars Republikflucht begeht. Allerdings zweifelt er seit einiger Zeit an der Richtigkeit seines Tuns. Die Brüder freuen sich auf ihr Wiedersehen, haben sie jedoch ideologisch schon weit voneinander entfernt. Im Stil eines spannenede Agentencomics der 70er Jahre gezeichnet, streift die Graphic Novel viele Aspekte der Nachkriegsgeschichte und des Spitzenfußballs in beiden deutschen Staaten.

Im Anhang befindet sich ein Glossar, das die historischen Fakten zur Geschichte liefert. Dort werden u. a. Wolfskinder, die Teilung Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg, die Fußball in beiden deutschen Staaten sowie die “Aktion Leder” – das Ziel der DDR: Das Ein Sieg muss her, und keiner der DDR-Kicker darf im Westen bleiben. Leider wurde das Literaturverzeichnis für die deutsche Übersetzung des Buches nicht überarbeitet. So finden sich auf dieser viele französiche Werke sowie teilweise veraltete Ausgaben.

Erster Fall gelöst

… und ich hoffe, es kommen viele weitere. Wer hatte früher nicht einen Detektivclub oder ähnliches? Ich schon, leider mangelte es an Verbrechern in Kiel-Hassee und so observierten wir den örtlichen Gärtner oder verfolgten wildfremde Leute unauffällig von der Bushaltestelle bis zu deren Wohnungen. Ulf und seiner Crew, das sind noch Tita, Heiko und Otto, geht es nicht anders. Bis ein neues Mädchen, Uli, in ihre Klasse kommt, die ihnen sehr verdächtig vorkommt: Ihre Eltern sehen aus wie Rockstars, sie kauft Unmengen an Alufolie, klaut Müll und isst in der Schulmensa nichts. Die Möchtegerndetektive steigern sich richtig rein in den Fall und ermitteln ganz schön tricky fast rund um die Uhr. Sollte Uli etwa eine Außerirdische sein? Auch wenn die Kriminalitäts- und Außerirdischenrate etwa auf dem von Kiel-Hassee in den 70er Jahren liegen dürfte, schafft es Tanja Esch bis zu den letzten Seiten, das Geheimnis um Uli zu bewahren und die Spannung zu halten und dabei witzige und unverwechselbare Charaktere mit wenigen Strichen zu zeichnen.

Keine Zeit für Kreuzworträtsel

Oddleigh ist eine kleine Stadt in England, in der, wie der Name schon sagt, merkwürdige Dinge vor sich gehen. Glücklicherweise sorgen die Inspektorin Jessie und Seargant Sid für Recht und Ordnung. Fünf verschiedene Kriminalfälle mit tierischen Protagonist*innen in bester Miss Marple Manier bereiten uns Gänsehaut und Stirnrunzeln. Die Leser*innen können mitraten, um die Fälle zu lösen. Im Anhang werden jede Menge Informationen zu den Fällen bereit gehalten, darüber hinaus findet man dort das Kreuzworträtsel, das Jessie und Sid aus Zeitmangel während ihres ausregenden Jobs nicht lösen können sowie Gedichte und Beweismaterial. An diesen Geschichten finden  sowohl Kinder als auch Erwachsene ihren Spaß, spart Tor Freeman doch nicht mit Anspielungen zu bereits toten oder lebenden Personen und Ereignissen.

Ä Mänafa Mitleid

Schon die Prilblumen auf den Titelseiten beamen uns direkt in die 70er Jahre, in die Kindheit der Illustratorin Anke Kuhl. In vielen Episoden beschreibt sie in Bild und Text eine Welt, die vielen Eltern von Kindern in der Zielgruppe sehr bekannt vorkommen wird. Aber auch Kinder der 2020er Jahre werden sich wiedererkennen in den Geschichten. Es geht um Geschwisterstreit und das große Vertragen danach; die warmherzigen Großeltern und die jahrzehnt-typischen leicht progressiven Eltern; die erste Brille, die einen ganz neuen Blick auf die Welt ermöglicht sowie kleine und große Ängste. Dabei spart Anke Kuhl auch große Dramen wie der schwere Unfall der Mutter oder die Äffäre des Vaters nicht aus. Zum großen Spaß gehören auch die vielen Details der Zeichnungen, das Badezimmerregal der Großeltern oder die Front des Gemüsehändlers haben einen ähnlichen Effekt wie die schon erwähnten Prilblumen. Und wer wissen will, was der Titel dieser Besprechung bedeutet, sollte das Kapitel Gimmi Gimmi Gimmi lesen. Alles klar?

Geschichte von oben

Der 14-jährige Simon hat 16 Millionen englische Pfund bei einer Pferdewette gewonnen, doch er kommt ohne die Unterschrift seiner Eltern nicht an das Geld. Doch seine Mutter liegt im nach einem Angriff auf sie in ihrem Haus im Koma, der Vater ist als mutmaßlicher Täter auf der Flucht. Simon kommt nicht an seinen Gewinn, muss in ein Kinderheim ziehen, der mysteriöse Dan taucht auf, verschiedene Betrüger wollen an sein Geld und dann ist da auch noch ein Blauwal … Auf der abenteuerlichen Jagd nach einem Ausweg nimmt der Loser Simon endlich sein Leben selbst in die Hand und beginnt sich zu wehren. Das Überraschende an dem Buch ist die Präsentation: Panchaud nutzt für die Graphic Novel eine ganz neue visuelle Form – die Infographik. Piktogramme, Schautafeln, detaillierte Lagepläne und die konsequente Darstellung aller Beteiligten wie in Google Maps als farbiger Punkt, zu sehen aus der Vogelperspektive, lassen den/die Betrachter*in  eine Distanz zum Geschehen entwickeln, aber gleichzeitig zu Voyeuren werden. Die Story entwickelt sich hautsächlich in unseren Köpfen, die mit Phantasie die Abstraktionen auflösen.

 

Der erste Kuss – von einem Geist

Die Zwillinge Stig und Tilde müssen wie ihre Eltern und Großeltern mit 14 Jahren einen Monat lang allein auf einer einsamen Insel leben. Das klingt nach Abenteuer und Freiheit. Doch in Dunkelheit und Regen verirren sie sich und landen mit leckgeschlagenem Boot auf der falschen Insel, auf der sie merkwürdige geschnitzte Holzköpfe entdecken. Ist die Insel bewohnt? Während Stig sich um die Reparatur des Bootes kümmert, erkundet Tilde die Inseln und tatsächlich, sie trifft auf den Jungen Arne, der sich über ihre Gesellschaft freut, da er sonst nur seine Holzköpfe hat. Doch bald will er Tilde nicht mehr weglassen und ziemlich unheimliche Sachen kann er auch …

Eine ziemlich aufregende Geschichte, die durch die an Hergés Ligne Claire erinnernde Zeichenstil eine ganz besonders fesselnde und nachvollziehbare Atmosphäre schafft. Und die Jungs und Mädchen gleichermaßen begeistern wird.
 

Hokuspokus als Krisenmanager

Die französische Illustratorin Pénélope Bagieu verwandelt Roald Dahls Kinderbuchklassiker aus dem Jahr 1983 in eine Comic-Adaption, die noch anarchistischer erscheint als das Original. Ein Junge wächst bei seine exzentrischen Oma auf, nachdem seine Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Als die beiden in einem Hotel am Meer Urlaub machen, findet dort gleichzeitig das “jährliche Treffen der Königlichen Gesellschaft zur Verhinderung von Kindesmisshandlungen” statt, was in Wirklichkeit aber ein Hexentreffen ist mit dem Plan der Hoch- und Großmeister-Hexe, alle Kinder des Königreichs mittels eines Zaubertranks zu vernichten. An einem Mädchen, die ebenfalls Gast im Hotel ist, wird der Trank getestet und sie verwandelt sich in eine Maus. Die Hexen entdecken den Jungen und er wird ebenfalls in einen kleinen Nager verwandelt. Die Kinder behalten aber ihren menschlichen Verstand und die Sprache. Sie schaffen es, den Trank zu stehlen und ihn in die Suppe fürs Hexendinner zu schütten. Die Hexen werden in Mäuse verwandelt und vom Hotelpersonal erschlagen Was mich besonders beeindruckt hat: Die KInder bleiben Mäuse und werden als solche ganz normal von ihren Angehörigen behandelt, kein Wehklagen, keine Panik. Die Betroffenen stellen sich völlig schnell und pragmatisch auf die neue Situation ein und profitieren sogar von ihr. Passt gerade ganz gut.

 

Der vergessene Torjäger

Die Karriere von Oskar Rohr war beeindruckend: 1932 wurde der FC Bayern mit ihm im Sturm zum erstan Mal deutscher Meister, von 1934 bis 1939 war er sehr erfolgreich mit dem französischen Verein Racing Strasbourg und hält dort bis heute als Torschütze einen Vereinsrekord.  In deutschland ist er trotz seiner Erfolge bisher fast vergessen, diese Graphic Novel ist die erste Biographie über ihn. Vermutlich liegt es daran, dass er in Deutschland bis in die Nachkriegszeit als “Vaterlandsverräter” galt und während der deutsche Okkupation Frankreichs sogar zunächst von den Franzosen verhaftet und nach Deutschland ausgeliefert wurde, wo er für einige Monate in ein Konzentrationslager kam und dann an der Ostfront kämpfen musste. Dabei wollte er doch eigentlich immer nur Fußball spielen. Das Buch zeigt in getragenen Farben gut ausbalanciert das schwierige Leben eines Fußballers zwischen den Fronten in schwersten Zeiten, skizziert darüber hinaus jüdische Zeitgenossen aus der Fußballwelt wie Walter Bensemann, den Gründer des “Kickers”, Kurt Landauer, legendärer Präsident des FC Bayern München sowie den Trainer Richard Dombi. Eigentlich möchte ich im gleichen Stil auch über dieses Persönlichkeiten eine Graphic Novel.